Wandel der Lernkultur

Unter Betrachtung der aktuellen Situation und der sich rasant veränderten Lernkultur, u.a. verursacht durch Corvid-19 Maßnahmen, möchten wir hiermit ein paar Ansätze für die Erwachsenenbildung vermitteln, die wir in hohem Maße als Lernförderlich empfinden.

Lernformen

Neue Lernformen in der Arbeit sind grundsätzlich als eine wichtige betriebliche Qualifizierungs- und Personalentwicklungsmaßnahme anzusehen, wobei Lernformen als Lernorganisationsformen sich vorrangig auf die organisatorisch-strukturelle Seite des Lernens beziehen.

Sie schaffen einen bewussten Rahmen, der das Lernen – zumeist unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten – unterstützt, fordert und fördert. Sie unterstützen und ergänzen herkömmliche Lernformen wie Seminare, z.T. lösen sie diese aber auch ab.

Pätzold und Lang stellen hier für die berufliche Bildung einen umfangreichen Katalog von Lernformen vor, die sie als zukunftsweisend sehen, u.a. Konzepte zur Simulation betrieblicher Realität (z.B. Juniorenfirma), kreativitätssteigernde Konzepte (z.B. Qualitätszirkel, Projektmethode und Zukunftswerkstatt), Konzepte zur Förderung der Selbstständigkeit (z.B. Lerninseln oder Leittextmethode) und handlungsorientierte Konzepte zur Verbesserung und Förderung des unterrichtenden Lernens (z.B. Fallstudien, Plan-, und Rollenspiele).

Unter Lernformen kann man sich also einen offenen Zugriff auf spezifisch strukturierte Lernaktivitäten von Individuen vorstellen, die in gestalteten und nicht gestalteten Lern- und Arbeitssituationen zu Lern- und Bildungsprozessen führen sollen.

In der beruflichen Aus- und Weiterbildung werden vor allem Formen des dezentralen und damit arbeitsintegrierten und selbst organisierten Lernens laut Dehnbostel als innovativ bezeichnet.

Lernformen ermöglichen in unterschiedlicher Art und Weise die Generierung und Verarbeitung unterschiedlicher Wissensformen und leiten das Handeln an.

Als Teil einer gestalteten Lernkultur sind sie zu konzeptionieren, denn erst die Balance der verschiedenen Lernformen in gestalteten Settings verweist auf ein gestaltetes Lernkulturkonzept.

Im aktuellen Lernkulturraster sind folgende Lernformen in den verschiedenen Formen der Weiterbildung/Personalentwicklung zu unterscheiden:

  • Organisiertes Lehren und Lernen mit Schwerpunkt im systematischen Lernen
  • Arbeiten und Lernen mit Schwerpunkt im impliziten lernen sowie im informellen Lernen
  • Wissensmanagement mit Schwerpunkt im selbstgesteuerten Lernen und informellen Lernen
  • Individuelle Aufstiegsförderung oder Coaching mit Schwerpunkt im problemlösenden Lernen

Das zunehmende Interesse, Arbeiten und Lernen miteinander zu verbinden, hat insbesondere eine Beschäftigung mit dem informellen Lernen forciert, davor auch bereits mit dem impliziten lernen und sehr breit mit selbstgesteuerten Lernen.

Um die „richtigen“ der fortschreitenden Modernisierung folgenden Lernformen auszumachen, wird seit den 90er Jahren gerungen. Hier verspricht vor allem der Einzug des medialen Lernens neue Impulse und verbesserte die Optionen der Wissensgenerierung.

Dieses Lernen kann als eine Form des selbstgesteuerten Lernens betrachtet werden. In Abgrenzung zu herkömmlichen Lernformen gehen neue Lernformen gezielt von informellen- und Erfahrungslernen aus und verbinden es mit formellem bzw. organisiertem Lernen. Den neuen Lernformen ist gemein, dass Arbeitsplätze und Arbeitsprozesse unter lernsystematischen und arbeitspädagogischen Gesichtspunkten erweitert und angereichert werden.

Kennzeichnend für diese, das Arbeiten und Lernen verbindenden Lernformen ist eine doppelte Infrastruktur (vgl. Tab.2), die zum einen als Arbeitsinfrastruktur im Hinblick auf Arbeitsaufgaben, Technik, Arbeitsorganisation und Qualifikationsanforderungen der jeweiligen Arbeitsumgebung entspricht, und die andererseits als Lerninfrastruktur zusätzliche räumliche, zeitliche, sachliche und personelle Ressourcen bereitstellt sowie Lernziele und –inhalte aufnimmt.

Neue Lernformen
Arbeitsinfrastrukturo   Arbeitsmittel, Maschineno   Arbeitsstruktur, Ablauf und Aufbauorganisationo   Arbeitsaufgabeno   QualifikationsanforderungenLerninfrastrukturo   Lernmöglichkeiten (sachlich, zeitlich)o   Lernhaltige, gestaltungsorientierte Aufgabeno   Ausgewiesene Lernziele bzw. –inhalteo   Kooperative Arbeits- und Lernformen
Informelles Lernen – formelles Lernen

(Tab.2: Doppelte Infrastruktur neuer Lernformen, eigene Darstellung, in Anlehnung an Dehnbostel 2007, S. 295)

Tabelle 2 zeigt, dass Arbeitshandeln und die darauf bezogenen Reflexionen mit den ausgewiesenen Zielen und Inhalten betrieblicher Bildung in Wechselbeziehung stehen. Erfahrungslernen bzw. informelles Lernen und formelles Lernen werden auf Basis der Verschränkung der Arbeitsinfrastruktur mit einer Lerninfrastruktur systematisch miteinander verbunden.

Was ist lernen?

  • ein aktiver Konstruktionsprozess, d. h. Wissen kann nur über eine selbstständige und eigenaktive Beteiligung des Lernenden am Lernprozess erworben werden.
  • ein konstruktiver Prozess, wobei Wissen nur erworben und genutzt werden kann, wenn es in die bereits vorhandenen Wissensstrukturen eingebaut und auf der Basis individueller Erfahrungen interpretiert werden kann.
  • ein emotionaler Prozess. Für den Wissenserwerb ist es zentral, dass die Lernenden während des Lernprozesses positive Emotionen, wie Freude, empfinden. Vor allem Angst und Stress erweisen sich für das Lernen als hinderlich.
  • ein selbstgesteuerter Prozess, d.h. die Auseinandersetzung mit einem Inhaltsbereich erfordert die Kontrolle und Überwachung des eigenen Lernprozesses durch den Lernenden.
  • ein sozialer Prozess, womit der Erwerb von Wissen in der Interaktion mit anderen geschieht.
  • ein situativer Prozess: Wissen weißt stets situative und kontextuelle Bezüge auf, der Erwerb von Wissen ist an einen spezifischen Kontext oder an eine Situation gebunden. So findet Lernen immer im Rahmen einer bestimmten Lernumgebung statt, die für den Erwerb zentraler Kompetenzen ausschlaggebend ist.

Somit setzt eine nachhaltige Förderung und Begleitung kompetenzbildenden Lernens künftig Lehrkräfte voraus, die keine (mehr) sind.

Vielmehr sind Lernspezialisten gefordert, die das Lernen anderer Menschen anregen, begleiten und fördern können.

Eine in diesem Sinne „kluge Lehre“ ist die Lernberatung. Sie fußt auf der Didaktik, die sich wie eingangs erwähnt, als Wissenschaft vom Lernen seiner Förderung und Begleitung versteht“

Die globale Entwicklung prägt die sogenannte Wissensgesellschaft dahingehend, dass Menschen neben dem Erfahrungswissen und den regelmäßigen Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen, sich Wissen über Netzwerke, Datenbanken etc. besorgen müssen, um die täglichen Aufgaben in der beruflichen Praxis erfüllen zu können.

George Siemens nennt das „learning as networkcreation“. Für die Gestaltung eines methodisch-didaktischen Konzeptes bietet somit der Ansatz des Konnektivismus in nachfolgender Tabelle dargestellt gute Möglichkeiten für eine erfolgreiche Umsetzung.

ProzesssteuerungLerntheorienDidaktischer AnsatzRolle der Lehrenden
Fremdgesteuerte LernprozesseBehaviorismus„Black Box“Reiz-Reaktions-Modell„Lehrer“ ➙Initiierung von Verhalten
KognitivismusLernen durchEinsicht und Denken„Tutor“ ➙Zielgerichtete Handlungen
Selbstgesteuerte LernprozesseKonstruktivismusLernen durch persönliche Erfahrungen„Coach“ ➙Individuelle Problemlösungen
KonnektivismusLernen durch Erfahrungen in Netzwerken„Trainer“ ➙Problemlösungen in und mit Netzwerken

 (Tab.3: Lerntheorien, eigene Darstellung in Anlehnung an Baumgartner u. Kalz 2004, S. 14 zit. nach Erpenbeck 2007, S. 152)

Aus Sicht des Konstruktivismus ist Lernen ein Prozess, bei dem Wissen selbstgesteuert interpretiert und individuell konstruiert wird.

Folglich kann unter konstruktivistischen Bedingungen das Lernen am Arbeitslatz gefördert werden, so dass durch selbstorganisierte Aneignung von Wissen und Kompetenzen die angestrebte Verbindung von Lernen und Arbeiten erreicht werden.

Selbstorganisiertes Lernen und damit lebenslanges Lernen kann nur erfolgreich realisiert werden, wenn die Lernprozesse entsprechend den individuellen Problemstellungen, dem Wissensstand, der Lernerfahrung und Lerngeschwindigkeit sowie der Motivation jedes einzelnen Lerners gestaltet werden.

Ein Lerntransfer wird dadurch verbessert, indem komplexe Aufgaben in der Umgebung bearbeitet werden, die sich den natürlichen Verhältnissen der Realität annähern.

Auch hier berücksichtigt der Ansatz des Konnektivismus „die wachsende Tendenz der Lerner zu informellem, vernetztem und elektronisch gestütztem Lernen“.

Net-Generation

Entgegen einer verbreiteten Meinung, wird die Zugehörigkeit zur „Net-Generation“ unabhängig vom Alter laut Erpenbeck vor allem durch das Ausmaß an digitaler Mediennutzung bestimmt.

Er ist der Meinung, dass die Zugehörigkeit zur „Net-Generation“ von folgenden Faktoren abhängt:

  • „Dokumente werden, wenn möglich, am PC erfasst,
  • Telefonnummern, Termine oder Aufgaben werden nur noch digital verwaltet,
  • in Besprechungen werden Notebooks bzw. PDA genutzt,
  • man ist immer online, per Internet oder Mobiltelefon erreichbar,
  • verschiedene Aktivitäten finden parallel statt“.

Lernformen stellen also ein zentrales Strukturelement von Lernkulturen dar, sie sollen den Anforderungen an sich wandelnde Arbeitsprozesse gerecht werden und vor allem sollen sie begleitend zur Modernisierung gestaltet sein.

Diese Gegebenheiten haben Auswirkungen auf die Lehr- und Lernkultur. Dennoch, das Lernen dieser Net-Generation bringt auch Gefahren mit sich. Parallel ablaufende Lernprozesse (Multitasking), immer online sein, der laufende Austausch innerhalb von Netzwerk-Communities, der sprunghafte Wechsel von Thema zu Thema, um das Wesentliche zu finden und das vermeintlich Unwesentliche zu ignorieren, kann auch dazu führen „das Ziel aus den Augen zu verlieren.

Führungskräfte die dieser „Net-Generation“ angehören, bedürfen somit an deren Anforderungen angepasste Gestaltungen der Lernarrangements.

Nach Siemens werden der Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus diesen Veränderungen nicht mehr gerecht.

Aus diesem Grund werden nachfolgend die Grundsätze für die Konzeption von Lernarrangements aufbauend auf dem Ansatz des Konnektivismus vorgestellt:

  • Lernerinnen gestalten den Lernprozess eigenständig.
  • Lernerinnen bringen ihr persönliches Wissen in ein Netzwerk ein. Das gemeinsame Wissen im Netzwerk steht nun allen Userinnen als Lernquelle zur Verfügung.
  • Der Aufbau von Netzwerken führt bei Problemlösungen rascher ans Ziel.
  • Im Netz wird nicht nur Wissen zur Verfügung gestellt sondern es werden auch Emotionen, Denkhaltungen, Werte und Normen werden mittransportiert.
  • Lernen erfolgt in differenzierten Lernarrangements aus formellem und informellem Lernen in Verbindung mit verschiedenen Lernformen, Sozialformen, Medien und vielfältigen Kommunikations- und Dokumentationsmöglichkeiten (Blended Learning mit Social Software).
  • Effektives Lernen besteht in der Auswahl der für das Ziel bedeutenden Inhalte, in der Verknüpfung von Teilkompetenzen und Ideen sowie in der Dokumentation und strukturierten Wiedergabe des Lernergebnisses.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Themen und Inhalte sind auch in der (interkulturellen) Kompetenzbildung nicht „generell vorhanden“ und werden nicht „lediglich vermittelt“, sondern Lerninhalte werden in einem Prozess der Emergenz in den Köpfen der Lernenden (und der Lehrenden) „erzeugt“.

Zwar sind die meisten Menschen für neues Wissen aufgeschlossen, aber aus diesem Wissensangebot wird dasjenige ausgewählt, was verständlich, viabel und anschlussfähig erscheint. Neues wird assimiliert, angepasst nicht selten auch reinterpretiert. Dabei ist es denkbar, dass ein Wissen, dass nicht ohne weiteres in das vorhandene Konzept passt „gelagert“ und zu einem späteren Zeitpunkt erinnert und aktiviert wird.

Lernen ist somit zu achtzig Prozent „innerer Monolog“ und zu zehn Prozent „Rezeption von Inputs“, denn beim Lernen kommuniziert das Gehirn mit sich selbst und eine biografische Didaktik fördert mehr als nur ein Anpassungs- und Bestätigungslernen.

Durch diese Selbstorganisation des Gehirns finden inhaltliche Vernetzungen von „Assoziationsrealen“ statt, die zu neuen, kreativen Erkenntnissen beitragen.

Kreativität ist also nicht das Erfinden von völlig neuem sondern, neue, ungewöhnliche Verknüpfungen und Verdrahtungen neuronaler Netze und Bewusstseinsinhalte. Kreativ lernen heißt somit: neue Zusammenhänge herstellen und damit „querdenken“.

In den Blick geraten auch die Risiken und Nebenwirkungen einer Überdidaktisierung des Lehrens, die in einem Kompetenzverlust und nicht in einer Kompetenzentwicklung ihnen Ausdruck finden können.

Die Lehrenden können nämlich durch ein Zuviel an Belehrung auch mehr und mehr ihre Lernneugier verlieren und in eine konsumistische Lernhaltung geraten unter dem Motto: „Lernen gelingt mir, wenn ich motiviert werde, und mir das Notwendige vermittelt wird!“ Diese Lernhaltung wird zusätzlich durch die Erwartung der Lernenden nach fehlerfreien Powerpoints oder aufwendig aufbereiteten Downloads zementiert, deren Güte sich nach dem Design, aber kaum nach ihrem Provokationsgehalt oder der in sie eingearbeiteten Aufforderung zur selbstständigen Problemlösung bemisst.

Lehren vs Lernberatung

Dies soll Verständnis finden in dem Weg vom Lehren zur Lernberatung in nachfolgender, tabellarischer Übersicht:

Früher: LehrenHeute: Lernberatung
Auswahl und VermittlungThese: „Er über die Lerninhalte verfügt, verfügt über den Lernerfolg.“(Lehrerfixierung)Lernarrangement und LernbegleitungThese: „Wer vielfältige Anschlussmöglichkeiten schafft, erhöht die Nachhaltigkeit der Aneignung.“(Vielfalt gestalten)
Implizite DefizitorientierungThese: „Der Lernende ist unfertig, er kann zu seinem Lernprozess noch nichts beitragen.“(Gelernte Hilflosigkeit)Annehmende BeratungThese: „Der Lernende ist ein kompetenter Lerner, der weiss, wie er seinen Lernprozess gestaltet.“(Selbstlernkompetenz)
SachfixierungThese: „Der Inhalt ist für alle gleich, es kommt darauf an, ihn zu didaktisieren.“(Primat des Inhalts)Emotionale SelbstreflexivitätThese: „Der Lernprozess verläuft stets eingebettet in und beruhend auf Lernbiografien und Gefühlen der Selbst(un)wirksamkeit.“(Primat des Selbst)
LernerverantwortungThese: „Wenn die Verantwortlichkeit für den Lernprozess nicht klar geregelt ist, wird nicht gelernt.“(Entmündigung des Lerners)Pädagogik des ZulassensThese: „Der Lerner hat stets die Verantwortung für seinen Lernprozess, der Lehrer kann lediglich Verantwortungsübernahme erschweren oder verhindern.“(Mündigkeit des Lerners)
Antizipierende PlanungThese: „Je besser der Prozess geplant ist, desto besser gelingen die Lernprozesse.“(Planungsüberschätzung)Situative UnterrichtsplanungThese: „Je offener und situativer die Prozessgestaltung ist, desto größer ist die Chance der Angepasstheit auf die Situation der Lerner.“(Offenheit und Flexibilität)

(Tab.4: Der Weg vom Lehren zur Lernberatung; eigene Darstellung, in Anlehnung an Arnold u. Arnold-Haecky 2009, S. 55)

Im weiteren Sinn kann somit jede Erwachsenenbildung als biografisch bezeichnet werden, denn unabhängig von der Veranstaltungsform und der Thematik, bringt jeder Erwachsene seine persönlichen Erfahrungen mit in eine Situation.

Hierbei fördern also „die eigenen Geschichten aus dem Leben“, die sozial-emotionale Kohäsion der Gruppe und können eine mehr oder weniger sympathische Atmosphäre herstellen. Im besten Fall gehen die Beteiligten zufrieden nach Hause dennoch sind nachhaltige Lernwirkungen selten, denn die thematische Didaktik kommt dabei meist zu kurz, da man inhaltlich zu wenig dazu lernt.

Ein didaktisches Konzept in der Bildungsarbeit basiert auf der Prämisse, dass unsere Identität von den Themen geprägt wird, für die wir uns interessieren und engagieren. Solche identitätsrelevanten Themen sind z.B. Frieden, Gerechtigkeit, Religion, Erziehung, Alter, Gesundheit, aber auch der Umgang mit Fremdheit oder Literatur.

Diese Themen sind somit emotional besetzt und handlungsleitend. Diese themenzentrierte „guided autobiography“ wurde in den USA von J.E. Birren entwickelt, von Wilhelm Mader und Ingrid Hundrieser in Deutschland bekannt gemacht und basiert auf folgenden didaktischen Schritten:

  1. Plenum: Einführung in die Thematik und Erläuterung der Methode „guided autobiography“
  2. Einzelarbeit: Die Teilnehmer schreiben ihre biographischen Erfahrungen und Kenntnisse zum Thema auf.
  3. Kleingruppen: In kleinen Gruppen werden die Erfahrungsberichte vorgelesen, verglichen, kommentiert. Eine Variante besteht darin, das keine schriftlichen Berichte erstellt werden, sondern dass die Gruppenmitglieder sich gegenseitig zum Thema interviewen.
  4. Plenum: Ergänzung des biografischen Wissens durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, interkulturelle Vergleiche, etc.

Tandemlernen

Ein weiteres biografisches Didaktikmodell, welches auch im Web 2.0 zu nutzen wäre ist das Tandemlernen.

Ein Tandem sind zwei (oder drei) Menschen, die aufgrund unterschiedlicher lebensgeschichtlicher Erfahrungen und Kompetenzen miteinander und voneinander lernen. Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Variante könnte z.B. dadurch erfolgen, indem „altere Mitarbeiter“ die über Erfahrungswissen (tacit knowledge) verfügen, dieses Wissen an „jüngere Mitarbeiter“ weitergeben, in dem ein Tandem aus einem jüngerem und einem älteren Mitarbeiter gebildet wird.

Laut Kraft kann das Herangehen an die Aufbereitung des Lehrens in der Weiterbildung in folgende Teilaufgaben untergliedert werden:

  • Vorbereitung
  • Erstellung von Materialien
  • Didaktische Planung
  • Planung des Medieneinsatzes
  • Durchführung des Seminars/der Veranstaltung
  • Moderation
  • Visualisierung des Lehrstoffs
  • Lernberatung
  • Lernerfolgskontrolle
  • Erkennen und Steuerung von Gruppenprozessen
  • Evaluation
  • Selbstevaluation

Selbsthilfegruppen

Zwischen dem informellen sozialen Lernen und den Seminaren lässt sich im Weiteren eine besondere Lernform verorten: die der „Selbsthilfegruppen“. Die Organisationsformen dieser Selbsthilfegruppen sind unterschiedlich, neuerdings gewinnt allerdings das Internet an Bedeutung. Hierbei interessiert vor allem die kommunikative Struktur dieser Gruppen.

Das Spektrum dieser Gruppen ist breit, z.B.: Frauen aus bikulturellen Partnerschaften, Menschen nach einer Krebsoperation, Arbeitslose, Eltern drogenabhängiger, computersüchtiger oder behinderter Kinder. Fast immer sind die Anlässe für diese „Treffen“ „kritische  Lebensereignisse“. Aber diese  Ereignisse verbinden die Gruppenmitglieder, die oft unterschiedlichen Milieus angehören. Gemeinsam ist ihnen eine existentielle Betroffenheit. Lernen ist nur dann wichtig, wenn es zum „coping“ d.h. zur Problembewältigung beiträgt. Hierbei sind alle Gruppenmitglieder an neuen Erkenntnissen interessiert, sofern dieses Wissen lebensdienlich ist. Ebenfalls wichtig ist hierbei der Erfahrungsaustausch und das Gefühl der Solidarität. Warum werden diese Gruppen in dem Zusammenhang erwähnt? Weil in ihnen mehr denn anderswo nachhaltiges „lebendiges“ Lernen stattfindet.

Daniel Goleman plädiert hiernach für eine Forschung auf der Grundlage von Ich-Aussagen im Sinne einer in ihren Konsequenzen zu Ende gedachten Phänomenologie einerseits sowie im Sinne eines wohlverstandenen Ansatzes tibetischer Meditationstechniken andererseits: „Wenn man eine Sache analysieren möchte, muss man zunächst über alle seine Ideen, all seine vorgefassten Meinungen und all seine gewohnten Denkmuster suspensieren und einfach schauen, was man sieht und von dieser Grundlage ausgehen“. In diesem einfachen Schauen, aktiveren sich die eigenen Erfahrungsmuster die einem bewusst werden wenn man darauf achtet, wie das eigene Denken sich ereignet.

Peter Senge u.a. zeigen in diesem Zusammenhang auf in welchem Formen ein frisches Denken, die Dinge, Sachverhalte und Beziehungen neu zu konstruieren und so ein neues Bewusstsein anzubahnen vermag. Indem frisch gedacht wird, lösen wir uns von den Festlegungen unserer Primärkonstrukte und können unser Denken, Fühlen und Handeln in einem ganzheitlichen Zusammenhang verstehen. Und die zentrale Frage ist nun, ob und inwieweit eine solche Transformation in Richtung auf ein stärker selbstreflexives Handeln der Lernenden angebahnt und verstärkt werden können.

Personalentwicklung

In der Personalentwicklung kommt dabei der Auftragsklärung eine grundlegende Bedeutung zu, weil davon ausgegangen wird, dass Lernende häufig zu Lernanlässen kommen um ihre technischen Fähigkeiten und Führungskompetenzen zu perfektionieren und eher selten ist ein selbstreflexiver Anspruch bereits zu Beginn einer Lernbegleitung ausgeprägt, so das „explizites Emotionslernen“ nicht von einer geteilten Zustimmung ausgehen kann.

Deshalb kommt in z.B. Führungskräftequalifizierungen dem erlebten Führungshandeln den Seminarleiterinnen und Seminarleitern eine grundlegende Bedeutung zu. Diese müssen gewissermaßen erwartungsenttäuschend agieren und die non-direkten und selbsteinschließend reflexiven Denkbewegungen im Seminargeschehen erlebbar werden lassen. Erwartungsenttäuschung als Leitprinzip einer reflexiven Personalentwicklung inszeniert Lerngelegenheiten, durch welche anmaßende Gewissheiten aufgeweicht und besserwisserische Dominanz und Resonanzlosigkeit abgelöst werden können.

Herzliche Grüße

Doreen Ullrich

Literatur 

Arnold, Rolf u. Schüßler, Ingeborg (1998). Wandel der Lernkulturen. Ideen und Bausteine für ein lebendiges Lernen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Arnold, Rolf (2003). Systemtheoretische Grundlagen einer Ermöglichungsdidaktik. In: Arnold, Rolf u. Lermen, Markus (Hrsg.). (2003). Lernkulturwandel und Ermöglichungsdidaktik. Wandlungstendenzen in der Weiterbildung. (S. 40-42, 78). QUEM-report 78.

Arnold, Rolf (2005). Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit. Beiträge zu einer emotionspädagogischen Erwachsenenbildung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.

Arnold, Rolf u. Arnold-Haecky, Batrice (2009). Der Eid des Sisyphos. Eine Einführung in die systemische Pädagogik. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren

Arnold, Rolf (2012a). Seit wann haben Sie das? Grundlinien des emotionalen Konstruktivismus. (2. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.

Arnold, Rolf (2012b). Wie man lehrt, ohne zu belehren. 29 Regeln für eine kluge Lehre. Das LENA-Model. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.

Dehnbostel, Peter u. Pätzold, Günter (Hrsg.). (2004). Lernförderliche Arbeitsgestaltung und die Neuorientierung betrieblicher Bildungsarbeit. In: Innovationen und Tendenzen der betrieblichen Berufsbildung. (S. 25-27). Stuttgart: ZBW.

Dehnbostel, Peter u. Lindemann, Hans-Jürgen (2007). Lernen im Prozess der Arbeit in Schule und Betrieb. Münster: Waxmann.

Erpenbeck, John u. Heyse, Volker (1999). Die Kompetenzbiographie. Strategien der Kompetenzentwicklung durch selbstorganisiertes Lernen und multimediale Kommunikation. Münster: Waxmann.

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Erpenbeck, John u. Sauter, Werner (2007). Kompetenzentwicklung im Netz: New Blended Learning mit Web 2.0. Köln: Luchterland Fachverlag.

Erpenbeck, John (o.J.). Werte als Kompetenzkerne. Berlin: Steinbeis University Berlin. Online verfügbar unter: http://dgbima.de/fileadmin/images/Symposium09/Erpenbeck.pdf (abgerufen am 11. April 2014).

Pätzold, Günter u. Lang, Martin (1999). Lernkulturen im Wandel. Didaktische Konzepte für eine wissensbasierte Organisation. Bielefeld: Bertelsmann.

Reinmann-Rothmair, Gabi u. Mandl, Heinz (Hrsg.). (2000). Wissensmanagement. Informationszuwachs-Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements. München: Oldenbourg.

Robak, Steffi (2012). Kulturelle Formationen des Lernens. Münster: Waxmann.

Seifert, Anja u. Schmeisser, Wilhelm u. Hummel, Thomas R. (2006). Globalkompetenz durch Länderstudien II. München und Mering: Hampp.

Siemens, George (2006). Knowing Knowledge. Online verfügbar unter http://www.elearnspace.org/KnowingKnowledge_LowRes.pdf (abgerufen am 09.04.2014).

Simons, Peter, R. J. (1992). Selbstgesteuertes Lernen. In: Mandl, Heinz. U. u. Friedrich, Helmut , F. (Hrsg.). Lern- und Denkstrategien. Analyse und Intervention. (S. 261-262). Göttingen: Hogrefe.

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